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«Eine extrem vielseitige Tätigkeit»
«Spinnst du eigentlich?», das war die erste Reaktion von Luzi Schutz, als er vor zwei Jahren angefragt wurde, ob er Gemeindepräsident werden wolle. Sein Heimatdorf Filisur war kurz davor, mit der Nachbargemeinde Bergün zu fusionieren, und die neue Gemeinde im oberen Albulatal brauchte einen Präsidenten. Nur: Schutz arbeitete in Zürich, wo er Geschichte studiert hatte, war noch keine 30 Jahre alt und ohne politische Erfahrung.
Und doch begann er, sich ernsthaft mit der Vorstellung auseinanderzusetzen, das Amt zu übernehmen. «Mich reizte vor allem, etwas zu leisten, was ganz konkrete Auswirkungen vor Ort hat», erzählt er. Schliesslich entschloss er sich zur Kandidatur, wurde gewählt und trat am 1. Januar 2018 sein Amt an. Er machte sich daran, die neue Gemeinde aufzubauen, die Verwaltung zusammenzuführen und neue Gesetze zu entwerfen.
Schutz ist einer von rund 100 000 Personen in der Schweiz – die genaue Zahl variiert je nach Definition und Jahr –, die in der Milizpolitik tätig sind, die meisten davon auf kommunaler Ebene. Sie führen Gemeinden, beaufsichtigen Schulen oder überprüfen Rechnungsabschlüsse. Darin nicht enthalten sind die über 80 000 Milizfeuerwehrleute. Ohne die Milizarbeit würde vieles in diesem Land nicht funktionieren – oder ganz anders. Doch die Gemeinden bekunden zunehmend Mühe, Ämter zu besetzen.
Die Arbeit von Miliztätigen wird oft als selbstverständlich wahrgenommen. Sie wird in der Regel unauffällig ausgeübt und bescheiden entlöhnt. Warum tun Leute sich das an?
«Das Gemeindepräsidium ist eine extrem vielseitige Tätigkeit», sagt Luzi Schutz. An einem normalen Tag nimmt er etwa an einer Sitzung über die Sanierung des Wasserkraftwerks teil, dann beschäftigt er sich mit dem Zonenplan oder beantwortet eine Mail, in der sich jemand über einen fehlenden Wanderwegweiser beklagt. An Herausforderungen mangelt es nicht. Bergün-Filisur ist flächenmässig fast so gross wie der Kanton Zug, hat aber nur knapp 1000 Einwohner. Viele Junge verlassen die Gemeinde und ziehen weg. Zudem haben sowohl Bergün als auch Filisur in der Vergangenheit massive Schulden angehäuft. Im Zuge der Fusion schoss der Kanton über acht Millionen Franken ein, um die Last etwas zu mildern.
Nun, glaubt Schutz, habe die Gemeinde eine Grösse, mit der sie langfristig überlebensfähig sei, den Schuldenberg allmählich abtragen und womöglich die Steuern wieder auf ein vertretbares Niveau senken könne.
«Als ich als Gemeindepräsident anfing, habe ich diese Aufgabe ganz ins Zentrum gestellt und alles andere darum herumgebaut.»
Durch die Fusion fällt einiges an Arbeit an. Schutz macht aber auch von sich aus sehr viel und wirkt stark im operativen Bereich mit. «Als ich als Gemeindepräsident anfing, habe ich diese Aufgabe ganz ins Zentrum gestellt und alles andere darum herumgebaut», sagt er. Konzipiert ist das Gemeindepräsidium als 40-Prozent-Aufgabe. Schutz schätzt, dass er derzeit etwa 80 Prozent seiner Arbeitszeit dafür aufwendet. Andere berufliche Projekte nahm er erst auf, nachdem er die hektische Anfangsphase überstanden hatte. Vergütet wird seine Arbeit mit einem Grundsalär von 4000 Franken pro Monat, hinzu kommen separate Entschädigungen für gewisse Tätigkeiten.
Schutz ist so gesehen kein typischer Milizler, der nach Feierabend noch etwas Gemeindepolitik betreibt. Aber dieses Modell ist aus seiner Sicht ohnehin schwierig aufrechtzuerhalten angesichts der stark gestiegenen Ansprüche an die Gemeinden. «Man kann ein Gemeindepräsidium nur im Ehrenamt ausüben, wenn die Gemeinde über eine sehr gut ausgebaute Verwaltung mit weitreichenden Kompetenzen verfügt. Die meisten Gemeinden sind aber anders strukturiert.»
Der Gemeindepräsident von Filisur Luzi Schutz. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)